EIN UNERWARTETER VERBÜNDETRE

Roran hatte schon den Hammer aus dem Gürtel gezogen und war halb aufgesprungen, als er den Namen seines Vaters hörte. Nur das verhinderte, dass er durchs Zimmer hechtete und Jeod bewusstlos schlug. Woher kennt er Garrow? Neben ihm sprangen Loring und Birgit auf und zückten ihre Messer und selbst Nolfavrell hielt seinen Dolch in der Hand.
»Du bist es, Roran, nicht wahr?«, fragte Jeod leise. Die Waffen schienen ihn nicht im Geringsten zu erschrecken.
»Woher wisst Ihr das?«
»Weil Brom und Eragon hier waren. Du siehst aus wie dein Cousin. Als ich deinen und Eragons Steckbrief sah, wusste ich, dass du geflohen bist. Aber«, Jeods Blick wanderte zu den drei anderen, »ich hätte nie gedacht, dass du gleich ganz Carvahall mitbringen würdest.«
Verblüfft sank Roran in den Sessel zurück und legte den Hammer auf die Knie, wo er jederzeit griffbereit war. »Eragon ist hier gewesen?«
»Ja. Und Saphira auch.«
»Saphira?«
Wieder schaute Jeod überrascht. »Dann weißt du es also nicht?«
»Was weiß ich nicht?«
Jeod ließ ihn eine lange Minute warten. »Ich glaube, es ist an der Zeit, dass wir die Karten auf den Tisch legen, Roran Garrowsson, und offen über alles reden. Ich kann viele der Fragen, die dir auf der Seele brennen, beantworten - zum Beispiel warum das Imperium dich jagt. Aber im Gegenzug muss ich wissen, warum ihr nach Teirm gekommen seid... warum ihr wirklich hier seid.«
»Und warum sollten wir dir vertrauen, Langhachse?«, wollte Loring wissen. »Du könntest für Galbatorix arbeiten.«
»Ich war über zwanzig Jahre lang Broms Freund, bevor er Geschichtenerzähler in Carvahall wurde«, sagte Jeod, »und ich habe ihm und Eragon nach Kräften geholfen, als sie unter meinem Dach wohnten. Aber da keiner der beiden hier ist, um für mich zu bürgen, lege ich mein Leben in eure Hände. Macht damit, was ihr wollt. Ich könnte um Hilfe schreien, aber das tue ich nicht. Auch werde ich nicht kämpfen. Ich bitte euch bloß, mir eure Geschichte zu erzählen und euch meine anzuhören. Danach könnt ihr entscheiden, wie es weitergehen soll. Ihr seid in keiner unmittelbaren Gefahr, was hindert uns also daran, miteinander zu reden?«
Birgit fing mit einer Kopfbewegung Rorans Blick ein. »Vielleicht versucht er bloß, seine Haut zu retten.«
»Vielleicht«, sagte Roran, »aber wir müssen herausfinden, was er weiß.« Er nahm den Sessel, zog ihn durchs Zimmer, stellte ihn unter die Türklinke und setzte sich wieder darauf, sodass niemand hereinstürmen und sie überraschen konnte. Er zeigte mit dem Hammer auf Jeod. »Na schön. Du willst reden. Dann lass uns reden. Fang an!«
»Es wäre besser, wenn du anfängst.«
»Wenn ich das tue und uns hinterher deine Antworten nicht gefallen, müssen wir dich umbringen«, warnte Roran.
Jeod verschränkte die Arme. »Dann soll es so sein.«
Trotz seines schroffen Tonfalls war Roran von der Gelassenheit des Händlers beeindruckt. Jeod schien sich keine Sorgen um sich zu machen, auch wenn er ein bisschen grimmig dreinschaute. »Dann soll es so sein«, wiederholte Roran.
Roran hatte die Ereignisse seit dem Auftauchen der Ra’zac in Carvahall oft genug in Gedanken durchlebt, aber sie noch nie einer anderen Person in allen Einzelheiten erzählt. Als er es nun tat, wurde ihm bewusst, wie viel ihm und den anderen Dorfbewohnern in kurzer Zeit widerfahren war und wie mühelos das Imperium ihr Leben im Palancar-Tal zerstört hatte. Es schmerzte Roran, die Geschichte vorzutragen, aber wenigstens bereitete es ihm ein gewisses Vergnügen, Jeods unverhohlenes Erstaunen zu sehen, als er erfuhr, wie die Dorfbewohner die Soldaten und Ra’zac aus ihrem Lager vertrieben hatten - dann die Belagerung Carvahalls, Sloans Verrat, Katrinas Entführung, wie Roran die Dorfbewohner zur Flucht bewogen hatte und die Entbehrungen während ihrer Schiffsreise nach Teirm.
»Bei den verlorenen Königen!«, rief Jeod aus. »Das ist ja eine außergewöhnliche Geschichte. Außergewöhnlich! Sich vorzustellen, dass du Galbatorix’ Pläne durchkreuzt hast und sich ganz Carvahall vor den Toren einer der größten Städte des Imperiums verbirgt!« Er schüttelte bewundernd den Kopf.
»Ja, das ist die gegenwärtige Lage«, brummte Loring, »und sie ist bestenfalls lebensgefährlich, deshalb erklärst du uns jetzt ganz genau, warum wir es riskieren sollten, dich am Leben zu lassen, Langhachse.«
»Schön, dann hört -«
Jeod verstummte, als hinter Rorans Sessel jemand an der Tür rüttelte, versuchte, sie aufzuschieben, und gegen das Eichenholz hämmerte. Dann zeterte eine Frauenstimme: »Jeod! Lass mich rein, Jeod! Du kannst dich nicht in deinem Käfig verstecken!«
»Darf ich antworten?«, murmelte Jeod.
Roran gab Nolfavrell ein Zeichen, woraufhin der Junge ihm den Dolch zuwarf. Er fing die Waffe, ging um den Schreibtisch herum und hielt Jeod die Klinge an die Kehle. »Die Frau soll verschwinden.«
Mit gehobener Stimme sagte Jeod: »Ich habe jetzt keine Zeit, Helen. Ich bin in einer geschäftlichen Besprechung.«
»Lügner! Du machst keine Geschäfte mehr. Du bist bankrott! Komm raus und sieh mich an, du Feigling! Bist du nicht einmal mehr Manns genug, um deiner Frau in die Augen zu schauen?« Sie machte eine Pause, als erwartete sie eine Antwort, dann wurde ihr Gekeife noch lauter. »Du Feigling! Du bist ein Taugenichts, ein hirnloser Trottel, der nicht einmal einen Schweinestall führen könnte, ganz zu schweigen von einer Reederei! Mein Vater hätte niemals so viel Geld verloren wie du!«
Roran wand sich innerlich, während die Beleidigungen immer schlimmer wurden. Ich kann Jeod nicht mehr lange festhalten, wenn sie ihn weiter so beschimpft.
»Sei still, Frau!«, brüllte Jeod schließlich, und augenblicklich kehrte Stille ein. »Unser Schicksal könnte sich vielleicht zum Besseren wenden, wenn du endlich deine Zunge im Zaum halten und nicht herumfluchen würdest wie die Frau eines Fischhändlers!«
Ihre Antwort war kühl. »Ich warte im Esszimmer auf dich. Solltest du nicht zum Abendessen erscheinen und dich mir erklären, werde ich dieses unselige Haus verlassen und nicht mehr zurückkommen.« Ihre Schritte verklangen im Flur.
Als er sich sicher war, dass sie gegangen war, nahm Roran den Dolch von Jeods Kehle, gab Nolfavrell die Waffe zurück und setzte sich wieder auf den Sessel an der Tür.
Jeod rieb sich den Hals und sagte mit verdrossener Miene: »Falls wir nicht auf einen Nenner kommen, bringt ihr mich besser um, denn das ist mir lieber, als Helen erklären zu müssen, dass ich sie grundlos angebrüllt habe.«
»Du hast mein ganzes Mitgefühl, Langhachse«, sagte Loring.
»Es ist nicht ihre Schuld... nicht nur. Sie weiß einfach nicht, warum wir in letzter Zeit so viel Pech hatten.« Jeod seufzte. »Vielleicht ist es ja mein Fehler, weil ich mich nicht traue, es ihr zu sagen.«
»Ihr was zu sagen?«, meldete sich Nolfavrell zu Wort.
»Dass ich ein Agent der Varden bin.« Jeod hielt inne, als seine Besucher ihn perplex anstarrten. »Ich fange am besten ganz von vorne an. Roran, hast du in den letzten Monaten Gerüchte über einen neuen Drachenreiter gehört, der Galbatorix herausfordert?«
»Hier und da ein bisschen Gerede, ja, aber nichts, dem ich Glauben schenken würde.«
Jeod zögerte. »Ich weiß nicht, wie ich es dir beibringen soll, Roran... aber es gibt in Alagaësia wirklich einen neuen Drachenreiter, und es ist dein Cousin Eragon. Der Stein, den er im Buckel gefunden hat, war in Wirklichkeit ein Drachenei, das die Varden mit meiner Hilfe vor vielen Jahren Galbatorix gestohlen haben. Der Drache ist bei Eragon geschlüpft und er hat ihn Saphira genannt. Deswegen kamen die Ra’zac das erste Mal ins Palancar-Tal. Zurückgekehrt sind sie, weil Eragon für das Imperium ein ernst zu nehmender Gegner geworden ist und Galbatorix sich von deiner Gefangennahme erhofft, an ihn heranzukommen.«
Roran warf den Kopf zurück und lachte schallend, bis ihm Tränen in die Augen stiegen und er vor lauter Gelächter Bauchweh bekam. Loring, Birgit und Nolfavrell schauten besorgt zu ihm herüber, doch Roran kümmerte nicht, was sie dachten. Er lachte, weil Jeods Behauptung so absurd war. Und wegen der erschreckenden Möglichkeit, dass der Händler die Wahrheit sagte.
Roran atmete einige Male tief durch und beruhigte sich allmählich wieder. Nur ein humorloses Kichern entrang sich noch ein paarmal seiner Kehle. Er wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht und sah Jeod an, ein hartes Lächeln auf den Lippen. »Deine Geschichte passt zu den Fakten, so viel muss man dir lassen. Aber mir fallen auch ein halbes Dutzend andere Erklärungen ein.«
Birgit sagte: »Wenn Eragons Stein ein Drachenei war, woher ist es dann gekommen?«
»Tja«, entgegnete Jeod, »das ist auch so eine Geschichte...«
Bequem in seinen Sessel gelehnt, lauschte Roran ungläubig, als Jeod erzählte, dass Brom - der grantige, alte Brom! - einst ein Drachenreiter gewesen sei und angeblich bei der Gründung der Varden mitgewirkt habe, dass Jeod einen geheimen Eingang nach Urû’baen entdeckte habe, dass die Varden Galbatorix die letzten drei Dracheneier hätten stehlen wollen und wie sie letztlich nur ein Ei an sich gebracht hätten, nachdem Brom den abtrünnigen Drachenreiter Morzan getötet hatte. Und als ob das nicht schon lächerlich genug gewesen wäre, schilderte Jeod als Nächstes, wie die Varden, Zwerge und Elfen vereinbart hätten, das Ei zwischen Du Weldenvarden und dem Beor-Gebirge hin- und herzutransportieren, und wie bei einer dieser Reisen am Rande des riesigen Waldes ein Schatten die Kuriere überfallen habe, um ihnen das Ei abzunehmen.
Ein Schatten - ha!, dachte Roran.
Trotz seiner Skepsis wuchs Rorans Interesse, als Jeod schilderte, wie Eragon das Ei fand und den Drachen, Saphira, im Wald hinter Garrows Hof aufzog. Roran war zu der Zeit sehr beschäftigt gewesen, weil er kurz darauf nach Therinsford gegangen war, um in Demptons Mühle zu arbeiten, doch er erinnerte sich, wie abwesend Eragon gewesen war und dass er jede freie Minute im Wald verbracht hatte …
Als Jeod schilderte, wie und warum Garrow gestorben war, stieg brennende Wut in Roran auf, weil Eragon es gewagt hatte, den Drachen heimlich zu behalten, und damit jeden in seiner Nähe in Gefahr gebracht hatte. Es ist seine Schuld, dass mein Vater umgebracht wurde!
»Was hat er sich bloß dabei gedacht?«, platzte es aus Roran heraus.
Er nahm es Jeod übel, dass er ihn so ruhig und verständnisvoll ansah. »Ich bezweifle, dass Eragon gewusst hat, was er tat. Reiter und ihre Drachen sind so eng miteinander verbunden, dass man zwischen ihnen oft kaum unterscheiden kann. Eragon hätte Saphira ebenso wenig etwas antun können, wie er sich ein Bein hätte absägen können.«
»Das hätte er sehr wohl«, murmelte Roran. »Seinetwegen musste ich Dinge tun, die genauso schmerzhaft waren... Er hätte es uns sagen müssen!«
»Es ist dein gutes Recht, so zu denken«, sagte Jeod. »Aber vergiss nicht: Eragon hat das Palancar-Tal verlassen, um dich und das ganze Dorf zu schützen. Diese Entscheidung ist ihm sehr schwer gefallen. Aus seiner Sicht hat er sich geopfert, um deine Sicherheit zu gewährleisten und deinen Vater zu rächen. Sein Verschwinden hatte zwar nicht den von ihm gewünschten Effekt, aber wenn Eragon geblieben wäre, hätten sich die Dinge wahrscheinlich noch viel schlimmer entwickelt.«
Roran sagte nichts mehr, bis Jeod den Grund nannte, weshalb Brom und Eragon nach Teirm gekommen waren. Sie hatten anhand der Einfuhrlisten herausfinden wollen, wo der Unterschlupf der Ra’zac war. »Und, ist es ihnen gelungen?«, fragte Roran aufgeregt.
»Ja, wir haben es herausgefunden.«
»Schön, und wo verstecken sich diese Leichenschänder? Verdammt noch mal, spuck’s schon aus, Langhachse, du weißt doch, wie wichtig es für mich ist!«
»Anhand der Aufzeichnungen sind wir zu dem Schluss gelangt - und ich bekam später von den Varden eine Botschaft, derzufolge Eragons Bericht dies bestätigt hat -, dass die Ra’zac sich in der Nähe von Dras-Leona auf einem Berg namens Helgrind verstecken.«
Grimmig packte Roran seinen Hammer. Es ist ein langer Weg nach Dras-Leona, aber von Teirm aus erreicht man den einzigen freien Pass, der durch den Buckel in den Süden Alagaësias führt. Wenn ich den Dorfbewohnern eine sichere Schiffspassage besorgen kann, könnte ich zu diesem Berg gehen, Katrina befreien, falls sie dort ist, und anschließend dem Jiet-Strom nach Surda folgen.
Rorans Miene musste seine Gedanken verraten haben, denn Jeod sagte: »Das ist unmöglich, Roran.«
»Was ist unmöglich?«
»Niemand kann den Helgrind besteigen. Es ist ein blanker schwarzer Berg mit nahezu senkrechten Steilhängen. Denk daran, die Ra’zac haben Flugrösser! Wahrscheinlich liegt der Unterschlupf der Kerle irgendwo am Gipfel und nicht am Fuße des Berges, wo man sie leicht angreifen könnte. Wie willst du also hinaufgelangen? Und selbst wenn es dir gelänge, glaubst du wirklich, du könntest die Ra’zac und ihre Flugrösser besiegen? Ich bezweifle ja nicht, dass du ein furchtloser Krieger bist - immerhin fließt in dir und Eragon dasselbe Blut -, aber diese Gegner besitzen übermenschliche Fähigkeiten.«
Roran schüttelte den Kopf. »Ich kann Katrina nicht im Stich lassen. Vielleicht ist es vergebens, aber ich muss versuchen, sie zu befreien, selbst wenn es mich das Leben kostet.«
»Es nützt Katrina nichts, wenn du tot bist«, ermahnte ihn Jeod. »Wenn ich dir einen Rat geben darf: Versuche, wie geplant nach Surda zu gelangen. Wenn du einmal dort bist, wird Eragon dir helfen. Selbst die Ra’zac sind einem Reiter und seinem Drachen im offenen Kampf nicht ebenbürtig.«
Roran dachte an die riesigen, grauhäutigen Ungetüme, auf denen die Ra’zac flogen. Er gestand es sich nur ungern ein, aber gegen diese Geschöpfe konnte er nichts ausrichten, wie sehr er es auch wünschte. Und als Roran diese Wahrheit akzeptierte, schenkte er auch Jeods Geschichte Glauben - denn täte er es nicht, wäre Katrina für ihn auf immer verloren gewesen.
Eragon, dachte er. Eragon! Ich schwöre auf das Grab meines Vaters, du wirst wieder gutmachen, was du angerichtet hast, und zwar indem du mit mir den Helgrind erstürmst! Du hast uns diesen Schlamassel eingebrockt, und du wirst helfen, die Sache wieder in Ordnung zu bringen.
Roran bedeutete Jeod weiterzureden. »Lass uns den Rest deiner Geschichte hören.«
So erzählte Jeod von Broms Tod, von Murtagh, Morzans Sohn, von der Gefangennahme und Flucht in Gil’ead, von der hochdramatischen Rettung einer Elfe, von Urgals und Zwergen und einer großen Schlacht an einem Ort namens Farthen Dûr, wo Eragon einen Schatten besiegte. Und Jeod berichtete, dass die Varden aus dem Beor-Gebirge nach Surda gezogen seien und dass Eragon sich im Moment in Du Weldenvarden aufhalte und dort seine Ausbildung als Drachenreiter abschließe, aber bald zurückkehren würde.
Als der Händler fertig war, steckten Roran und die anderen die Köpfe zusammen und berieten sich. Loring sagte mit gesenkter Stimme: »Ich weiß nicht, ob er lügt oder die Wahrheit spricht, aber jemand, der sich mit einem Messer an der Kehle so ein Seemannsgarn ausdenkt, verdient es, am Leben zu bleiben. Ein neuer Drachenreiter! Und dann ist es auch noch Eragon!« Er schüttelte den Kopf.
»Birgit?«, fragte Roran.
»Ich weiß nicht. Es klingt ungeheuerlich...« Sie zögerte. »Aber es muss wahr sein. Ein neuer Drachenreiter wäre der einzige Grund, warum das Imperium plötzlich so hinter uns her ist.«
»Stimmt«, pflichtete Loring ihr bei. Seine Augen glänzten vor Aufregung. »Wir sind in eine viel größere Geschichte hineingeraten, als uns bewusst war. Ein neuer Drachenreiter! Stellt es euch doch mal vor! Die herrschende Ordnung steht kurz vor dem Umsturz, ich sage es euch... Du hattest von Anfang an Recht, Roran.«
»Und was denkst du, Nolfavrell?«
Der Junge freute sich, dass man ihn mit einbezog. Er biss sich auf die Lippe und sagte dann: »Jeod scheint mir ein ehrlicher Mensch zu sein. Ich glaube, wir können ihm vertrauen.«
»Na schön«, sagte Roran. Er ging zu Jeod zurück, stützte sich auf die Schreibtischkante und sagte: »Zwei letzte Fragen, Langhachse. Wie sehen Brom und Eragon aus? Und woher kennst du Gertrudes Namen?«
»Ich weiß von Gertrude, weil Brom sagte, er hätte bei ihr einen Brief für dich hinterlassen. Und was das Aussehen der beiden betrifft: Brom war etwas kleiner als ich. Er hatte einen langen Bart, eine Hakennase und lief immer mit einem Stab herum. Und ich wage zu behaupten, dass er zuweilen leicht reizbar war.« Roran nickte. Ja, das klang ganz nach Brom. »Eragon war... jung. Braunes Haar, braune Augen, eine Narbe am Handgelenk, und er hat einem Löcher in den Bauch gefragt.« Roran nickte erneut. Das war sein Cousin.
Roran schob den Hammer unter den Gürtel. Birgit, Loring und Nolfavrell steckten ihre Messer ein. Dann zog Roran den Sessel von der Tür und die vier setzten sich wieder wie zivilisierte Menschen hin. »Was ist nun, Jeod?«, fragte Roran. »Kannst du uns helfen? Ich weiß, du steckst in einer schwierigen Lage, aber wir... wir sind verzweifelt und können uns an niemand anderen wenden. Kannst du als Agent der Varden uns ihren Schutz garantieren? Wir sind bereit, uns ihnen anzuschließen, wenn sie uns gegen Galbatorix beistehen.«
»Die Varden würden sich freuen, wenn ihr zu ihnen stoßen würdet«, sagte Jeod. »Aber ich denke, das wisst ihr ohnehin. Und was meine Hilfe betrifft...« Er strich sich über das längliche Gesicht und starrte an Loring vorbei auf die Bücher in den Wandregalen. »Ich weiß seit ungefähr einem Jahr, dass dem Imperium meine wahre Identität bekannt ist - und auch die von anderen Händlern, die den Varden geholfen haben. Deshalb habe ich es nicht gewagt, nach Surda zu fliehen. Das Imperium würde mich auf dem Weg dorthin gefangen nehmen, und wer weiß, welche Schrecken mich dann erwarten würden. Ich musste mit ansehen, wie man nach und nach mein Geschäft ruiniert hat, und konnte nichts dagegen tun. Und da ich nun so gut wie alles verloren habe, fürchte ich, dass Risthart, der Verwalter von Teirm, mich in den Kerker werfen und in Ketten legen lässt, da ich dem Imperium nun nichts mehr nütze. Seit meinem Bankrott rechne ich jeden Tag damit.«
»Vielleicht«, sagte Birgit, »wollen sie ja, dass du fliehst, um auch die festnehmen zu können, die sich dir anschließen.«
Jeod lächelte. »Vielleicht. Aber da ihr nun hier seid, gibt es eine Fluchtmöglichkeit, mit der sie nicht rechnen.«
»Dann hast du also einen Plan?«, fragte Loring.
Jeods Züge erhellten sich. »Oh ja, ich habe einen Plan. Habt ihr das große Schiff im Hafen gesehen, die Drachenschwinge
»Ja«, sagte Roran, »was ist damit?«
»Sie gehört der Schwarzmoor-Reederei, einem Aushängeschild des Imperiums. Sie verschifft Güter für die Armee, die unlängst in alarmierendem Maße mobilisiert wurde. Jeden Tag werden unter den Bauern neue Soldaten rekrutiert und Pferde, Ochsen und andere Lasttiere beschlagnahmt.« Jeod hob die Augenbrauen. »Ich bin mir nicht sicher, was das zu bedeuten hat, aber es könnte sein, dass Galbatorix in Surda einmarschieren will. Wie auch immer - die Drachenschwinge soll Ende der Woche nach Feinster auslaufen. Sie ist das beste Schiff, das je gebaut wurde, nach Plänen des berühmten Schiffbaumeisters Kinnell.«
»Und du willst die Drachenschwinge stehlen«, schlussfolgerte Roran.
»Genau. Nicht nur um dem Imperium eine lange Nase zu zeigen oder weil sie das schnellste Schiff ihrer Gewichtsklasse ist, sondern weil sie bereits voll ausgerüstet ist für eine lange Reise. Und da ihre Fracht aus Lebensmitteln besteht, hätten eure Leute genug zu essen.«
Loring gackerte leise. »Hoffentlich kannst du sie segeln, Langhachse, denn von uns kann keiner mit einem Schiff umgehen, das größer ist als eine Barke.«
»Ein paar Männer aus meinen früheren Besatzungen sind noch in Teirm. Ihnen geht es wie mir, sie können weder kämpfen noch fliehen. Ich vermute, sie werden sich die Gelegenheit, nach Surda zu gelangen, nicht entgehen lassen. Sie werden euch zeigen, was ihr an Bord zu tun habt. Es wird nicht einfach werden, aber etwas anderes bleibt uns wohl nicht übrig.«
Roran grinste. Der Plan war ganz nach seinem Geschmack: Sie würden schnell, entschlossen und unerwartet zuschlagen.
»Du hast gesagt«, warf Birgit ein, »im vergangenen Jahr hätte keines deiner Schiffe sein Ziel erreicht - und die der anderen Händler, die den Varden halfen, auch nicht. Warum sollte es diesmal anders sein?«
Jeods Antwort kam postwendend: »Weil wir das Überraschungsmoment auf unserer Seite haben. Das Gesetz schreibt vor, dass man der Hafenbehörde mindestens zwei Wochen vor dem Auslaufen eines Handelsschiffs die Reiseroute nennen muss. Deshalb war bekannt, welchen Kurs meine Frachter nahmen. Außerdem dauert es eine Weile, ein Kriegsschiff klarzumachen. Wenn wir also ohne Vorwarnung verschwinden, könnte es eine Woche oder länger dauern, bis Galbatorix uns Verfolger hinterherschickt. Wenn wir Glück haben, bekommen wir von ihnen nur die Spitzen ihrer Maste zu sehen. Also«, fügte Jeod an, »wenn ihr diesen dreisten Handstreich mit mir wagen wollt, müssen wir Folgendes tun...«

 

 

Der Auftrag des Aeltesten
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